Eigentlich ist diese Überschrift etwas übertrieben. Mein Ziel, Räyskälä in Finnland liegt so auf dem 60. Breitengrad und streng genommen ist die Mittsommernachtssonne erst nördlich des Polarkreises – nochmals ca. 6°26 min weiter nördlicher. Aber immerhin wird es auch auf 60° an Mittsommer nicht gerade dunkel. Manchmal machen sich die Segelflieger den Spaß und fliegen die Nacht durch.

Das ist aber wirklich nur manchmal, denn Mittsommer ist wirklich das Highlight des Sommers. Und deshalb wird in der Regel dieses Wochenende zum Feiern benutzt.

Nun ist Mittsommer zwar astronomisch definiert, aber nachdem es auf das Wochenende gelegt wird kann es um eine Woche variieren.

Ich versuche an jenem Wochenende, es war am 20. Juni 2009 nach Finnland zu fliegen. Das sind so ca. 1.700 km. Auf diese Stecke muss ich einmal tanken. Normalerweise versuche ich Flughäfen zu vermeiden. Nicht deshalb weil ich mich nicht traue, sondern weil es zu viel Zeit nimmt. 

In Malmö beispielsweise gehen mindestens 2 ½ Stunden fürs Tanken drauf. 

Meistens bin ich geradeaus bis Rügen, TRENT VOR, über die Ostsee nach Schweden ALMA VOR geflogen. Die reine Wasserstecke beträgt dann 50 km.

Einige Jahre bin ich in Kristiansstad zwischengelandet, ein kleiner Verkehrsflughafen mit kurzen Wegen und genau auf der halben Stecke. Leider geben die Schweden im AIP gar keine Öffnungszeiten mehr an, sondern verweisen auf NOTAM. Die Öffnungszeiten dieser Kleinflughäfen sind in den letzten Jahren sehr gekürzt worden, besonders am Wochenende. Dann sind sie zwar unkontrolliert, aber man kann dann meistens nicht tanken.

Bei einem solchen Flug fange ich schon ca. 2 Wochen vorher an, die Wetterlage im PC-Met zu beobachten und zu analysieren. Glücklicherweise bin ich nicht auf den Tag festgelegt. Das Wetter sah schlicht trostlos aus.

Über ganz Europa war es sehr konvektiv und eine Front folgte der anderen.

Schließlich schätze ich ein Wetterfenster ein: Nach Abzug einer Kaltfront in Deutschland ergab sich eine Rückseite, die aber sehr schnell wieder im Überentwicklung überging.

In Schweden wurden für den Nachmittag schwere Schauer und Gewitter gemeldet, gegen Abend abflauend, aber gleich anschließend eine neue Front von Nordwesten. Dazu noch eine massive, abziehende Front nach Osten Richtung Finnland. 

Ich entschloss mich nach dem was ich wusste und mir die Wetterdame erzählte, dieses Fenster zu nutzen. Durch Deutschland möglichst schnell nach der Front und vor der Überentwicklung zu fliegen, aber nicht über Schweden sondern nach Rönne auf Bornholm. Obwohl Bornholm südlich Schweden liegt gehört es zu Dänemark.

Ich überlegte mir, dass die Ostsee wohl die ganze Überentwicklung stabilisieren würde. Allerdings hatte ich dafür eine längere Wasserstrecke.

Die Frösche meinten, das wäre VFR zu machen, ich bezweifelte das. Außerdem ist es doch belastend eine solche Strecke in Turbulenz in relativ niedriger Höhe zu fliegen. Schließlich war ich allein unterwegs. Deshalb entschloss ich mich doch IFR zu fliegen.

Es sieht vielleicht etwas angeberisch aus, wenn man in Aalen oder in Schwäbisch Hall die Schwimmweste anzieht, aber es beruhigt über Wasser.

Durch das viele Hin und Her kam ich genau um 12:00 LT in die Luft.

So war es sehr bequem, Die Tops waren Anfangs in FL 80 und die 0° Grenze in 110. Ab und zu gab es Löcher. Besonders die Mecklenburger Seenplatte mit der Müritz leuchtete intensiv durch die Wolkenlöcher.

Dass auch bei der DFS nicht alle ganz fehlerlos läuft, zeigte sich, als Bremen Radar mich plötzlich auf deutsch fragte, ob ich nach Kopenhagen wolle. Nachdem ich ihm erklärt hatte, eigentlich hätte ich das nicht vor, sondern nach Rønne schickte er mich direkt dorthin. Er hatte wohl einen Buchstabendreher in der Destination.

Nicht weit von der Küste wuchsen einzelne Wolken doch über meine FL 130 und die Außentemperatur war -5°C. So musste ich vorsichtshalber unter die Wolken sinken.

Über der Küste waren die Wolken plötzlich zu Ende (vielleicht hatte ich doch zu schnell aufgegeben) und die blaue Ostsee lag unter mir. Der Flug nach Rønne ging dann über ca. 140 km Wasserstrecke. Aber die Sicht war so gut, dass ich die Insel schon von sehr bald sehen konnte.

 

Die Landebahn liegt direkt an der Küste – so landet man gewöhnlich mit strammem Seitenwind.

Von einem früheren Besuch wusste ich, dass man Benzin nicht einfach mit Kreditkarte bezahlen kann, sondern Cash, sofern man keine Statoil-Karte hat. Da der Sprit nur rund einen Euro kostet, lohnt es sich.

Von Rønne aus konnte man die massive, hochreichende Bewölkung über dem schwedischen Festland sehen.

Da es aber, wie schon erwähnt, nicht Nacht wird und andererseits unkontrollierte Plätze (außer in Deutschland) auch keinen Flugleiter haben und demzufolge auch nicht geschlossen werden, hatte ich keinen Zeitdruck.

Mit dem Handy rief ich unseren Sohn, der in Finnland lebt an. Er war gerade auf dem Flugplatz in Räyskälä, aber er meinte die Wolken hingen in 100 bis 150 m und er sei auf einer Mittsommerparty eingeladen. Ich bräuchte ihn ja nicht. Der Schlüssel vom Auto läge auf dem linken Vorderrad.

Für Piloten der AL gibt es in Skandinavien einen Raum mit PC, Telefon und Fax. Man kann damit Wetter einholen und Flugpläne aufgeben. Die Frage war, bis wann die Front in Finnland abgezogen sein würde. 

So wartete ich bis kurz vor 6 Uhr bis zum Weiterflug.

Diesmal flog ich VFR, falls noch irgendwelche Zellen in der Bewölkung wären.

Von Rønne aus gings wieder übers Wasser nach Kalmar. Bis zur schwedischen Küste waren es nochmals 140 km. Es gab noch reichlich Wolken, aber den Überentwicklungen schien die Kraft ausgegangen zu sein.

Ab Kalmar geht es der schwedischen Küste entlang, manchmal über Wasser, manchmal über Land. Die Strecke ist sehr reizvoll. Besonders in der Gegend von Stockholm sind die bekannten Schären, tausende von Inseln, die meisten mit Sommerhäusern am Strand.

Mit meinen nunmehr 4.000 ft. war ich dem Verkehr in Stockholm nicht im Weg und so flog ich über Stockholm hinweg Richtung Finnland.

Zwischen Schweden und Finnland liegen die Ahlandsinseln. Sie sind autonom, gehören aber zu Finnland. Sie bestehen aus vielen tausend Inseln. Viele sind nur einzelne Felsen, mache sind bewohnt. Die größte Insel ist Marienham mit einem Flughafen und einem VOR. Die Stecke von Schweden nach Finnland über Wasser beträgt ca. zweihundert Kilometer.

Davon sind an der kürzesten Strecke von Schweden nach Marienham 40 km offenes Wasser. Der Rest führt über das Inselgewirr. Zwischendrin gibt es noch einen kleinen Platz. Diese Strecke ist für mich immer das „Highlight“.

Über OGLOB (Intersektion an der Grenze nach Finnland) verabschiedete mich die nette weibliche Stimme von Stockholm Control ohne mir eine neue Frequenz zu geben. Das verwirrte mich schon. Schließlich war ich ja mit Flugplan unterwegs. Offensichtlich gab es Tampere Control nicht mehr. So meldete ich mich mit einen freundlichen „Hyvä Ilta“ bei Tampere Radar. Der hatte allerdings nicht viel Lust, sich mit mir abzugeben.

Inzwischen stand die Sonne nicht mehr so hoch, die Wolken hatten sich aufgelöst und einer dieser friedlichen skandinavischen Abende begann.

Wie es die Karte versprochen hatte, kam die finnische Küste mit Flughafen Turku. Auf der Frequenz von Turku war Stille. Möglicherweise habe ich die Ruhe gestört, denn auf meine Bitte auf einen Met-Report verwies mich die Dame auf die ATIS.

Inzwischen gab auf meinem Weg nur noch einen sehr hohen Stratus, bestimmt weit über FL 100 und einige kleine Cumulus in 1.800 ft.

Von Turku aus sind es nach Räyskälä noch 54 Meilen. 40 Meilen vor meinem Ziel schloss ich meinen Flugplan um die Ruhe der Controller nicht weiter zu stören und genoss entspannt die letzte Strecke.

Bis ich 10 km vor Räyskälä war. Inzwischen war ich noch 1.000 ft hoch und vor mir war eine geschlossene Front mit einer Wolkenuntergrenze die einiges tiefer war als ich. Ich kenne die Gegend relativ gut. Sie ist sehr flach und die „Berge“ etwa 30 m hoch, aber im Lande der Telekomunikation gibt es auch Sendemasten. Das war mir dann zu heiß. Die Wolken bildeten zwar eine geschlossene Mauer, aber sie war nicht sehr hoch.

In 2.600 ft war ich darüber und sah nach, wie es dahinter aussah. Einen Flugplatz zu finden ist mit dem GPS ja kein Kunststück. In der Nähe des Platzes gab es auch einige Löcher, aber leider nicht so groß, dass man runter, nachschauen und notfalls wieder rauf gekonnt hätte. Ich rief zwar „Räyskälä Liikene“ im Funk, aber es hätte mich schon sehr erstaunt, wenn jemand geantwortet hätte.

 

Ich hatte noch verschiedene Optionen: Sprit für 2 Stunden, zurück nach Turku, ein 24h-Flughafen, dann Forssa, ein kleiner Platz mit Asphaltbahn ohne Flugleiter und somit anfliegbar, der schon frei war. (Ich hatte ihn vorher überflogen) So begann ich Kreise zu fliegen. Ich weiß nicht genau wie viele. Aber stellte fest, dass die Obergrenze sank und die Löcher etwas größer wurden. Fahrwerk prophylaktisch raus und Klappen 1. Stufe. Schließlich war ein Loch so groß, dass ich den See am Flugplatz und eine Landebahn erkennen konnte.

Also alles raus was es noch gab und keine halbe Minute später saß ich auf der Landebahn. Es war kurz nach halb 11 LT.

Als ich das Flugzeug abgestellt hatte und ausstieg, fragte ich mich, wo eigentlich die Wolken geblieben waren. Auf dem Flugplatz war erwartungsgemäß kein Mensch zu sehen, nur in der Cafeteria schienen der Lärmentwicklung nach einige Nachwuchsflieger zu feiern.

Der Autoschlüssel war da, wo er sein sollte und eine viertel Stunde später war ich in unserer Hütte, wo ich auch das versprochen kühle Bier im Kühlschrank fand.

Herbert Schwämmle