Die segelflugfreie Zeit im Winter auf der Südhalbkugel verbringen, segelfliegen unter den vermeintlich besten thermischen Bedingung, davon träumt fast jeder Segelflieger.

Auch die Aalener Piloten. Vor ein paar Jahren wurde auf Initiative unseres Segelflugreferenten Manfred Streicher der Duo-Discus nach Südafrika verschifft und zehn Elchinger Segelflieger konnten in Südafrika ihren segelfliegerischen Horizont erweitern.

Im Januar 2012 waren Gösta Worf und Michael Kost in Argentinien zum Segelfliegen. Sie haben in Adolfo Gonzales Chaves an der „Vor-Weltmeisterschaft“ in der Standard-Klasse teilgenommen.

Hinter ihnen liegen spannende, anstrengende aber auch ungeheuer „wertvolle“ Wochen in Argentinien. In einem Jahr wird in Adolfo Gonzales Chavez die Weltmeisterschaft unter anderem in der Clubklasse ausgetragen, für die ist Simon Ruopp aus Münsingen als amtierender Deutscher Meister qualifiziert, der zusammen mit den beiden Elchingern dort war. Vom 6.1. – 20.1.12 fanden dort die  Südamerika-Meisterschaften sowie die nationalen argentinischen Segelflugmeisterschaften der Segelflieger statt, die zugleich Vor-WM waren. 

Der Kontakt zu den argentinischen Segelfliegern entstand durch den Besuch von Gösta Worf beim Segelflug Grand Prix in Chile im Jahr 2007.

Im vergangenen Jahr hat er dann in Freudenstadt, bei der Junioren WM die argentinischen Piloten aus der Stadt Bolivar unterstützt. Hieraus entstand ein enger Kontakt und schließlich eine Einladung. Diese wurde von unseren beiden Piloten von Dezember 2011 bis Ende Januar 2012 in die Tat umgesetzt.

Fliegen auf der Südhalbkugel ist eine besondere Herausforderung. Gerade der Nordeuropäer hat in seinem „inneren Kompass“ gerne die Sonne im Süden. Auch sind die Rahmenbedingungen für Segelflieger gerade in Argentinien oder auch Brasilien ganz anders. Viele müssen erst hunderte, sogar tausende Kilometer zurücklegen um ihrem Hobby nachzugehen. Die Segelflugzeuge dort erleben meistens ihr „drittes Leben“. Die meteorologischen Bedingungen, Hitze und Sand, setzten den Flugzeugen entsprechend zu. LTB gibt es fast keine, jedoch schier unendlich viele bürokratische Hürden zu überwinden. Gösta flog mit einem Standard Cirrus, Michael hat eine LS4 von den Fliegerfreunden aus Bolivar. Mit den Flugzeugen machten die beiden von Bolivar aus auch ihren ersten Erkundungsflug über die endlose Weite der argentinischen Pampa. Ebenes Land soweit das Auge reicht, auch aus 3000 Metern Höhe. Die Thermik ging oft erst gegen Mittag los, bei sehr hohen Auslösetemperaturen; meist bei 32 Grad. Dazu kam häufig ein sehr starker Wind mit bis zu 40 km/h. Typisch für kontinentales Klima. Dafür waren dann die Flugsichten entsprechend gut. Häufig gab´s  Blauthermik aber im Tagesverlauf bildeten sich dann doch immer wieder 3-4/8 Cu. Segelfliegerherz was willst du mehr?

Landmarken, Straßen oder Eisenbahnlinien als Auffanglinien zur Navigation? – Fehlanzeige. Hin und wieder eine Straße. Fliegerkarten gibt es nicht – wozu auch, einen Luftraum mit Begrenzungen gibt es in der Region nicht, das macht Freude. Eine Straßenkarte im Maßstab 1:2 Mio. ist auch keine große Hilfe. Zum Glück gibt’s die kleinen elektronischen Navigationshilfen…

Nachdem die beiden im Kreise ihrer argentinischen Gastfamilie erste Eindrücke sammeln durften und Silvester feierten, ging es am 2. Januar nach Adolfo Gonzals Chaves zur Meisterschaft. Insgesamt wurden dort  7 Wertungstage geflogen. Die Argentinier fliegen mit einem ausgeklügelten Indexsystem. Besonders auffällig ist, wie die einheimischen Piloten mit ihren polnischen Flugzeugen vom Typ Jantar fliegen: Wie Raketen, voll mit Wasserballast. Mit einer LS4, oder einem Standard Cirrus ist man da grundsätzlich im Nachteil. Darauf kam es aber auch nie an. Denn Gösta und Michael flogen meistens als Team zusammen. Und es ging ihnen dabei viel mehr um das gemeinsame Flugerlebnis, auch wenn immer mal wieder der sportliche Ehrgeiz durchkam. Im Gesamtklassement landete Gösta Worf auf dem beachtlichen 19 Platz, Michael Kost wurde 39ster. Seinen „schärfsten Widersacher“, den französischen Top-Piloten Eric Napoleon ließ er hinter sich. Der deutsche Meister in der Clubklasse Ruopp landete mit einem offenen Cirrus auf dem sechsten Rang.

Mit dem Ergebnis sind beide sehr zufrieden, vor allem wenn man die Bedingungen und Umstände berücksichtigt. Gösta Worf hatte einen platten Reifen und musste vor einem Wettflug noch am Flugzeug das Fahrwerk reparieren. Michael Kost kämpfte mit einem geplatzten Wassersack, der sein Cockpit in eine Badewanne verwandelte.

Auch die holprigen, von Schlaglöchern übersäten Straßen in der Pampa sind für Fahrzeuge und Segelfluganhänger eine Herausforderung. 

Außenlandungen sind, obwohl das Terrain eben ist, auch eine Herausforderung, denn alle Felder sind eingezäunt und Wiesen gespickt mit den berühmten argentinischen Angus Rindern. Wer außenlanden musste, sollte dies möglichst in Straßennähe und/oder Ortsnähe tun. Was gar nicht so einfach ist, denn häufig ist der Landstrich über 60-70 Kilometer unbesiedelt bzw. menschenleer.

Gösta Worf hatte das „Vergnügen nach einer Außenlandung vor einem abgeschlossenen Eingangstor zu stehen; der Cirrus musst mühsam über den Zaun gehievt werden. Michael Kost hatte das Glück, dass der Besitzer des Feldes vorbei kam und der Anhänger problemlos zum Flugzeug gefahren werden konnte. Die Rückholer von beiden waren argentinische Flieger, die ihren Urlaub für beide opferten. Die beiden unterstützten sie mit Autos, Zelten und wo es ging, auch bei manchmal auftretenden sprachlichen Hürden. Gösta und Michael haben ein wenig spanisch gelernt, und die Argentinier können jetzt mühelos „Fleischkäse“ aussprechen sowie einige weitere schwäbische Redewendungen. 

Der Kontakt zu den Argentiniern und den übrigen Piloten war aber das eigentliche Erlebnis. Es entstanden richtige Freundschaften. Auch zu den brasilianischen Piloten entwickelte sich eine ganz besondere Beziehung. Sie haben die beiden dann mit ihren Fahrzeugen nach Buenos Aires gebracht. Beeindruckend war auch mit welcher Leidenschaft und Euphorie der Wettbewerb organisiert wurde. Tagessieger wurde mit frenetischem Applaus bejubelt. Die Eröffnungsfeier und die Abschlussparty waren von lateinamerikanischer Ausgelassenheit geprägt. „Gus“ und „Kosti“ wurden herzlich in die Pilotengemeinschaft aufgenommen. Unbeschreiblich auch die nächtlichen „Assados“, wie die „Grillorgien“ bezeichnet werden. Was da an feinstem Rindfleisch gegrillt und verspeist wird, übersteigt europäisches Vorstellungsvermögen.

Unter dem Strich war das Abenteuer Argentinien ein richtig tolles Erlebnis. Besonders Michael konnte bei dem Wettbewerb viele wichtige Erfahrungen sammeln. Für Gösta war es beeindruckend mit welchem Aufwand und bürokratischen Hindernissen dort, die Segelflugpiloten zu kämpfen haben. Wir haben viel von den Menschen gelernt, besonders die überwältigende Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft – eben eine richtige Bildungsreise.